Koitalk Der Fernabsatzvertrag § 312 BGB

Der Fernabsagtzvertrag nach § 312 BGB

Dieser Beitrag ist ein Gastbeitrag von Rechtsanwalt Wolfgang Stühle, König-Wilhelm-Str. 16
88471 Laupheim

Der Beitrag stand auch schon im KLAN Heft und ich darf ich hier veröffentlichen:

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„Koikauf: Immer noch Vertrauenssache?

Wolfgang Stühle, Jurist sowie Dr. Achim Bretzinger & Dr. Ute Rucker, Fachtierärzte für Fische.

Einleitung:

Die Autoren des KLAN Magazin haben verschiedentlich das Thema „Koikauf“ behandelt, bislang allerdings im Wesentlichen aus medizinischer Sicht. Aspekte wie die fachgerechte Selektion und Beurteilung von Koi und andere wurden ebenfalls behandelt. Während unserer beruflichen Tätigkeit als Tierärzte werden wir immer wieder mit rechtlichen Fragestellungen rund um das Thema Koikauf konfrontiert. Es hat sich herausgestellt, dass dazu grundlegendes Wissen fehlt. Anlass genug, um diesem Thema eine Beitragsreihe zu widmen, die rechtliches Hintergrundwissen verschafft und die Schnittstelle zu tiermedizinischen Fragestellungen in diesem Kontext beleuchtet.

Den Anstoß dieser Beitragsreihe hat die Praxis am Teich selbst gegeben. Sei es nun, dass es nach Neuzugängen zu gesundheitlichen Problemen gekommen ist oder dass der gekaufte Koi nicht den Vorstellungen bzw. Erwartungen mit Blick auf Allgemeinzustand, Geschlecht, Qualität oder Alter entsprach. Ist auf diese Weise Unzufriedenheit entstanden, stellten sich zwangsläufig Fragen nach Verantwortung und rechtlichen Handlungsmöglichkeiten. Welche Rechte hat der Käufer, und welche Pflichten? Was hat der Händler zu verantworten? Oft wurde nichts unternommen, weil die Käufer/Hobbyisten glaubten, im Wesentlichen rechtlos dazustehen. An diesem Irrglauben ist der Handel nicht unschuldig, weil  jahrelang durch Kleingedrucktes suggeriert wurde, nach Übergabe des Fisches liege das volle Risiko beim Käufer. Die Vielschichtigkeit der damit einhergehenden Fragestellungen macht es erforderlich, die Thematik in vier Bereiche aufzuteilen. Die Autoren haben sich dazu entschieden, folgende Fragestellungen jeweils separat abzuhandeln:

Was kann ich als Kunde fordern, wenn ich

  1. online beim Händler bestellt und gekauft habe? (Fernabsatzvertrag)
  2. beim Händler über eine Auktion gekauft habe? (Verkauf gegen Höchstgebot)
  3. mit einem Händler selbst importiert habe? (Mitimport)
  4. beim Händler oder aus privater Hand gekauft habe? (Gewährleistung)

Teil I: Der Fernabsatzvertrag

Einleitung:

Die jüngste Vergangenheit zeigt, dass sich der Handel mit Koi vom klassischen Vororthändler hin zu neuen Vertriebsstrukturen gewandelt hat. Man geht eben mit der Zeit. Immer mehr Händler gehen dazu über, Koi über Internetpräsenzen online zu verkaufen und anschließend zu versenden. Ebenso beliebt scheint der sogenannte Mitimport von Koi geworden sein, bei welchem der Kunde seine Fische online vorbestellt, und diese dann mehr oder weniger direkt nach der Ankunft auf dem Zielflughafen entgegennimmt. Zu dieser Entwicklung gehört wohl in dieser Hinsicht auch der Vertrieb über sogenannte private Onlineauktionen.

Der Verbrauchsgüterkauf als Voraussetzung eines Fernabsatzvertrages

Ein sogenannter Verbrauchsgüterkauf (§ 474 Abs. 1 Satz 1 BGB) liegt immer dann vor, wenn ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache kauft. Der Koi ist –man staune- eine bewegliche Sache im Sinne des Gesetztes. § 90a BGB sagt zwar, dass Tiere keine Sachen sind, aber sie (rechtlich) wie Sachen behandelt werden. Verbraucher (§ 13 BGB) ist jede natürliche Person (also eine Mensch), der nicht für gewerbliche Zwecke kauft, Unternehmer (§ 14 BGB) jeder, der in Ausübung seiner gewerblichen Tätigkeit verkauft. Gemeint ist also das klassische Business-to-Consumer-Geschäft. Nicht Gegenstand dieses Beitrages ist damit das Business-to-Business- und das Consumer-to-Consumer-Geschäft das jeweils eigenen Regeln unterliegt.
Ein Verbrauchsgüterkauf ist also der Regelfall, wenn ein Koiliebhaber vom Händler kauft, ganz egal, ob ein Vorortgeschäft abgeschlossen wird oder der Vertrag über andere Vertriebsformen und Vertriebswege zustande kommt. Nur in der Form des Verbrauchsgüterkaufs ist auch der Fernabsatzvertrag denkbar.

Der Fernabsatzvertrag:

Der sogenannte Fernabsatzvertrag verdient als Verbrauchsgüterkauf (s.o.) deshalb besondere Beachtung, weil sich an ihn viel weitreichendere Verbraucherschutzrechte knüpfen, als bei Verbrauchsgüterkaufverträgen, die nicht als Fernabsatzvertrag zu qualifizieren sind. Wann also liegt ein sogenannter Fernabsatzvertrag vor? Vereinfacht gesagt –wenn auch etwas pauschal- immer dann, wenn sich der Käufer und der Verkäufer bei Abschluss des Kaufvertrages nicht die Hand schütteln können. Das Gesetz macht es etwas komplizierter, meint aber genau dasselbe, wenn es in § 312c BGB definiert:

„(1) Fernabsatzverträge sind Verträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.

(2) Fernkommunikationsmittel im Sinne dieses Gesetzes sind alle Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags eingesetzt werden können, ohne dass die Vertragsparteien gleichzeitig körperlich anwesend sind, wie Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails, über den Mobilfunkdienst versendete Nachrichten (SMS) sowie Rundfunk und Telemedien.“

Mit anderen Worten liegt ein Fernabsatzvertrag dann vor, wenn zum Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet werden, wobei die Aufzählung in Abs. 2 von § 312c BGB nicht abschließend ist. Somit werden Verträge, die am Telefon geschlossen werden ebenso erfasst, wie Verträge, die bei sogenannten Auktionen über das Internet geschlossen werden. Wichtig ist also der Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Dabei kommt ein Vertrag schon dann zustande, wenn Angebot und Annahme vorliegen, gleichgültig, ob dies jeweils vom Verkäufer oder Käufer (Angebot oder Annahme) erklärt wird. Es reicht also für den rechtswirksamen Abschluss eines Kaufvertrages völlig, wenn z.Bsp. ein Käufer beim Händler anruft und sagt: „ Ich möchte gerne den Showa mit der Artikelnummer 1234 für 550,00 € haben.“ und der Händler antwortet: „Einverstanden“. Für den Vertragsschluss ist weder die Übergabe oder Versand des Koi notwendig, noch die ganz oder teilweise Kaufpreiszahlung, noch gar ein schriftlicher Kaufvertrag. Diese (schlichte) Tatsache verdient besondere Aufmerksamkeit, weil sie nicht allen Verbrauchern so gegenwärtig ist. Danach dürften bei Käufen in sogenannten „Onlineshops“, in „Internetauktionen auf einem Händlerportal“ und bei „Mitimporten“ regelmäßig Fernabsatzverträge vorliegen.
Auch die in der Branche wohl weit verbreiteten „Reservierungsvereinbarungen“ sind rechtlich eindeutig als bereits abgeschlossener Kaufvertrag zu werten. Dabei ist es unerheblich, ob der Käufer für die „Reservierung“ eines bestimmten Koi 5%,10%,20% oder 100% des Kaufpreises anzahlen muss, oder gar keine Anzahlung leisten muss, denn Wirksamkeitsvoraussetzung für den Vertragsschluss ist gerade nicht, dass Leistungen ausgetauscht werden (Ware, Geld). Auch auf diesen Umstand sei ausdrücklich hingewiesen.

Das Widerrufsrecht:
Das Gesetzt knüpft an den Fernabsatzvertrag zwingend ein Widerrufsrecht des Käufers (Verbrauchers) in § 312g BGB. Das Widerrufsrecht selbst ist in § 355 BGB ausgestaltet und ist für Fernabsatzverträge durch § 356 BGB ergänzt. In § 355 Abs. 1 BGB ist bestimmt:

„Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.“

Gemäß § 355 Abs. 2 BGB beträgt die Widerrufsfrist 14 Tage. Bei Verbrauchsgüterkaufverträgen beginnt die Frist zum Widerruf nach § 356 Abs. 2 BGB mit dem Erhalt der Ware.

Über das Bestehen des Widerrufrechts hat der Unternehmer sorgfältig zu belehren. Belehrt der Unternehmer falsch, wird er mit einem verlängerten Widerrufsrecht des Verbrauchers „bestraft“. Die Frist beginnt nämlich erst nach ordnungsgemäßer Belehrung zu laufen. Gelingt die Belehrung des Unternehmers überhaupt nicht, erlischt das Widerrufsrecht spätestens nach einem Jahr und 14 Tagen (§ 356 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BGB).

Was bedeutet das für den Koikauf? Wird der Koi also mittels eines Fernabsatzvertrages gekauft, kann der Käufer den Kaufvertrag –ordnungsgemäße Belehrung vorausgesetzt- mit einer Frist von 14 Tagen zu Fall bringen. Der Käufer braucht dafür keinen Grund. Die Frist läuft, sobald er den Koi „in den Händen hält“. Die Konsequenz aus dem Widerruf ist – vereinfacht gesagt- Geld zurück, Koi zurück, wobei der Käufer die Kosten der Rücksendung zu tragen hat, wenn der Verkäufer ihm diese Kosten in der Belehrung wirksam auferlegt. Jedenfalls aber hat der Verkäufer auch über die Folgen des Widerrufs ordnungsgemäß zu belehren. Angesichts der Tatsache, dass für die Verpackung des Koi besondere Kenntnisse erfordert, wird wohl der Verkäufer die Rücksendung zu organisieren haben. Ohnehin bedarf der gewerbliche Tiertransport nach der Tierschutztransportverordnung (Verordnung (EG) 1/2005 des Rates) einer besonderen Erlaubnis.

Zweck des Widerrufrechtes:

Warum gibt das Gesetz dem Fernabsatzkäufer ein Widerrufsrecht in zwingender Weise? Der Zweck ist darin zu sehen, dass der Käufer beim Fernabsatzvertrag gerade nicht die Möglichkeit hat, die gekaufte Ware vorher auf seine Qualität, Eigenschaft und Beschaffenheit zu prüfen, da bestenfalls ein Bild der Ware zur Verfügung steht. Dies kann der Käufer erst, nachdem er die Ware (oder den Koi) in den Händen hält. Dann soll der Käufer in Ruhe prüfen können, ob er am Kauf festhalten halten will. Entspricht die Ware den Erwartungen des Käufers nicht, soll er widerrufen können, ohne Druck, Zwang oder gar mit Begründungsaufwand.

Beispiele falscher Belehrungen:

Der Handel belehrt über das Widerrufsrecht in vielen Fällen falsch, schlimmstenfalls überhaupt nicht, was nachfolgende Beispiele verdeutlichen sollen:

Beispiel 1:

„1.1 Der Kunde kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, E-Mail) oder – wenn ihm die Sache vor Fristablauf überlassen wird – auch durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform, jedoch nicht vor Eingang der Ware beim Empfänger und auch nicht vor Erfüllung der Informationspflichten gemäß Artikel 246 § 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und 2 EGBGB sowie unserer Pflichten gemäß § 312g Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Artikel 246 § 3 EGBGB. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache.“

Dies ist eine „alte“ Widerrufsbelehrung und damit ungültig. Der Gesetzgeber hat das Widerrufsrecht mit Wirkung zum 13.06.2014 neu gestaltet. Ab diesem Zeitpunkt hätte nach den neuen Vorgaben belehrt werden müssen. Dies ist hier unterblieben. Die Konsequenz ist, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt, bis ordnungsgemäß belehrt wird, längstens beträgt die Widerrufsfrist 1 Jahr und 14 Tage ab Übergabe des Koi.

Beispiel 2:

„Sollten Koi gekauft werden, beginnt die Widerrufsfrist von 14 Tagen mit Stellung der Rechnung an den Käufer.“

Diese Belehrung entspricht ebenso nicht den gesetzlichen Anforderungen. Die Widerrufsfrist beginnt zwingend frühestens mit Erhalt der Ware. Hier wird der Beginn der Frist vorverlegt. Das ist unzulässig. Die Konsequenz ist, dass –schlimmstenfalls- die Widerrufsfrist erst nach einem Jahr und 14 Tagen abläuft.

Beispiel 3:

„Lebende Tiere sind vom Widerrufsrecht ausgeschlossen.“

Taucht so etwas in der Belehrung auf, ist sie ebenso unwirksam, mit der zuvor skizzierten Konsequenz.

Ausschluss des Widerrufrechtes möglich?

Tatsächlich ist es so, dass der Gesetzgeber Fälle vorgesehen hat, die kein Widerrufsrecht nach sich ziehen sollen. Die für den Koikauf erörterungswürdigste ist in § 312g Abs. 2 Nr. 1 bestimmt, die wie folgt, lautet:

„Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei folgenden Verträgen:

1. Verträge zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind,“

Diese Ausnahme wird vom Handel oft in den Widerrufsbelehrungen zitiert, ist aber auf den Koikauf nach hier vertretener Auffassung nicht anwendbar. Man könnte wegen der Formulierungen „individuelle Auswahl“ oder „eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind“ auch Koi als davon erfasst sehen. Dies dürfte aber ausgeschlossen sein. Gemeint sind Fälle, in denen die Angaben des Verbrauchers, nach denen die Ware angefertigt wird, die Sache so individualisiert ist, dass diese für den Unternehmer im Falle ihrer Rücknahme wirtschaftlich wertlos ist, weil er sie wegen ihrer vom Verbraucher veranlassten besonderen Gestalt anderweitig nicht mehr oder allenfalls noch unter erhöhten Schwierigkeiten und mit erheblichem Preisnachlass absetzen kann. Ein Koi wird erstens nicht „angefertigt“; zweitens ist er im Falle der Rücknahme wirtschaftlich nicht wertlos. Das Widerrufsrecht ist also im Fernabsatz beim Koikauf wirksam nicht auszuschließen.

 

Der Widerruf:

Die Ausübung des Widerrufs für den Verbraucher ist sehr einfach. Das Gesetz bestimmt in § 355 Abs. 1 BGB wie folgt:

„Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.“

Das ist selbsterklärend. In Widerrufsbelehrungen finden sich oft Widerrufsformulare, die nur ausgefüllt und abgeschickt werden müssen. Wichtig ist, dass es zur Fristwahrung genügt, wenn der Widerruf noch am 14. Tage auf den Weg gebracht wird. Ein späterer Zugang des Widerrufs beim Unternehmer schadet nicht (etwa Postlaufzeiten).

Überlegungen der Veterinäre:

Gesetz ist Gesetz und wir alle müssen Regeln akzeptieren, selbst wenn dies im Einzelfall schwer fallen mag. Viele unter uns werden schon von dem Widerrufsrecht profitiert haben indem man bei Nichtgefallen einen unerwünschten Artikel unkompliziert zurücksenden konnte. Überträgt man dieses Szenario auf den gerade online erworbenen und per Express gelieferten Koi, kommen uns ganz massive Bedenken.

Zunächst sei die Gesundheit des Individuums, des gelieferten Koi betrachtet: Jeder von uns weiß, wie sehr die Fischgesundheit von einem funktionierenden Immunsystem abhängig ist und dass ein Transport mit wechselnden Wasserwerten und Eingewöhnung in ein fremdes Milieu grundsätzlich einen -wenngleich hier unvermeidlichen- Stress für einen Koi bedeutet. Zusätzlich bedeutet jeder Transport ein gewisses Risiko, können doch bei jedem Handtieren mit Koi, und sei es noch so professionell, Verletzungen auftreten. Insbesondere große und ältere Koi können transportbedingte Verletzungen davon tragen. Die gestoßene Nase ist hier der harmlose Klassiker, eine in der Nähe der Schwanzwurzel abgebrochene Flosse dann schon möglicherweise nicht mehr heilbar. Die innere Blutung oder Schwimmblasenruptur wären Beispiele für fatale Transportschäden, die zwar zum Glück sehr selten auftreten aber durchaus vorkommen können. Als Schlussfolgerung muss gelten, das Transportrisiko zum Wohle der Fische zu minimieren. Ein Kauf mit erfolgtem Widerruf und innerhalb kurzer Zeit doppelter Transport mit mehrfacher Eingewöhnung in unterschiedliche Haltungsbedingungen kann für den Koi nicht gut sein. Unabhängig davon, wie fachkundig die Versandvorbereitung und Verpackung durch den Laien für den Rücktransport geschehen könnte, dies ist unbedingt zu vermeiden.

Betrachtet man das erhöhte Krankheitsrisiko betreffend die anderen Tiere, mit denen der Koi in Kontakt kommen wird ist die Rücknahme eines Koi durch den Händler kaum praktikabel. Man führe sich nur vor Augen, wie viel Aufwand ein seriöser Koihändler betreibt, um möglichst gesunde Fische anbieten zu können: Da werden Neuzugänge einer strikten Quarantäne unterworfen, mehrfach tierärztlich mikroskopisch auf Parasitenbefall untersucht und behandelt, stichprobenartig eine Gewebeprobe entnommen und im Labor auf das Freisein von Viruskrankheiten geprüft. Zum Abschluss des Ganzen erfolgt eine Bestandsmischung um dennoch eventuell auftretende Unverträglichkeiten auf mikrobiologischer Ebene im Händlerbecken passieren zu lassen, zum Wohle des Fischbestandes beim Kunden. All dies geschieht nach Zugang von neuen Koi um Krankheiten zu vermeiden und hiermit wird klar, wie aufwändig jeder Neuzugang ist. Ein Koi, der die Händleranlage verlassen hat und -sei es auch nur für einen kurzen Moment- Kontakt mit anderen Koi oder anderem Wasser hatte ist grundsätzlich als potentiell infektiös zu betrachten und muss streng genommen o.g. Prozeduren nochmals durchlaufen. Und spätestens seit KHV muss das Thema Gesundheit im Koiteich streng genommen werden, hier hat Leichtsinn oft schon fatal geendet. Wie sollten denn nun einzelne, nach Widerruf zurück geschickte Koi behandelt werden? Korrekt nach Empfehlung ist dies wohl kaum möglich. Alle in ein Becken nach dem Motto: „Wird schon gut gehen?“ Ein seriöser Händler wird das zu vermeiden wissen. Und der wohlmeinende „Verbraucher“ ist ja zum Glück Koi Liebhaber. Ihm kann nicht daran gelegen sein Fische durch unnötigen Transport zu stressen. Wir sind sicher: Er wird alles daran setzen, dass sein gründlich selektierter, neuer Koi wohl behütet auf kürzestem Wege schonend transportiert und fachgerecht in sein neues zu Hause integriert wird.

Zusammenfassung:

Ein Fernabsatzvertrag liegt vor, wenn ein Verbraucher bei einem Händler kauft, und Angebot und Annahme über Fernkommunikationsmittel erklärt werden. Der Händler hat ein auf den Fernabsatz organisiertes Vertriebssystem (z.Bsp. Onlineshop). Der Fernabsatzvertrag löst ein Widerrufsrecht des Käufers aus. Darüber ist vom Verkäufer wirksam schriftlich zu belehren. Es ist keine Ausnahme denkbar, die beim Fernabsatzvertrag das gesetzlich zwingend vorgeschriebene Widerrufsrecht entfallen lässt. Falsche oder fehlende Belehrungen verlängern das Widerrufsrecht des Verbrauchers längstens auf bis zu einem Jahr und 14 Tagen. Nach erfolgtem Widerruf ist der Kaufpreis zurückzuerstatten und der Koi an den Händler zurückzugeben.

Schlussbemerkung:

Im Handel besteht die Tendenz, das Widerrufsrecht und Informationspflichten zu reduzieren oder gar zu negieren. Dies verhindert einen fairen Wettbewerb zu den Präsenzhändlern, die nicht nach Fernabsatz vertreiben. Damit gehen zwangsläufig Wettbewerbsverstöße einher, die der Sache nach abmahnfähig sind. Durch die Praxis bzw. den Versuch, Verbraucherrechte zu beschneiden, werden Käufer davon abgehalten, ihre Rechte durchzusetzen. Wer sich aber für den Fernabsatz entscheidet, muss Verbraucherrechte respektieren und zur Verfügung stellen. Andernfalls liegt ein seriöses Geschäftsgebaren nicht vor. Wer die Vorteile des Fernabsatzes in Anspruch nimmt, muss auch akzeptieren, dass Käufer grundlos Verträge widerrufen können.
Den Käufern und Hobbyisten ist im Gegenzug vorzuhalten, dass durch das Käuferverhalten diese Entwicklungen wohl gefördert worden sind. Wo keine Nachfrage, da kein Angebot. Es mag bequem sein, sich sein Haustier wie Schuhe per Express zuschicken zu lassen. Ob das dem Lebewesen als solchem gerecht wird, muss jeder selbst für sich entscheiden. Gefällt der Koi nicht, wird er zurückgegeben wie nicht passende Schuhe. Was soll der Händler mit diesem Fisch anfangen? Kann der Händler diesen Fisch überhaupt weiterkaufen, ohne darauf hinzuweisen, dass jenes Tier –wenn auch nur für kurze Zeit – bereits in einem Kundenteich geschwommen ist? Wer ausschließlich anhand eines Bildes, bestenfalls einer kurzen Videosequenz kauft, braucht sich nicht zu wundern, wenn seine damit einhergehende Erwartungshaltung spätestens beim Auspacken, gedämpft oder gar enttäuscht wird.

Sowohl Verkäufer wie auch Käufer möchten bedenken, dass der japanische Züchter in das Ergebnis seines Tuns harte Arbeit, viel Mühe, Zeit, Geld und vor allem Leidenschaft und Hingabe hineingesteckt hat. Wie sonst könnten so atemberaubend schöne Fische überhaupt existieren. Der Beitrag will weder Handel noch Käufer verteufeln – das schiere Gegenteil ist der Fall. Er soll helfen, den absolut notwendigen fairen und transparenten Umgang der Beteiligten untereinander zu fördern und zu stärken, letztlich ausschließlich im Interesse des Lebewesens Koi.“

Ende des Beitrages von Rechtsanwalt Wolfgang Stühle. Vielen dank für die Unterstützung meines Podcast.

Bleibt mir noch ein Nachsatz: Wenn ich mich Koiliebhaber nennen will, dann verbietet sich meiner Meinung nach ein Verhalten wie wir es z.B. bei Zalando gerne machen, also mal 4 paar Schuhe Bestellen und das eine behalten, was einem am besten gefällt.

Dies entbindet Koihändler jedoch nicht, sich an die aktuelle Gesetzeslage zu halten. Wenn ich diese Absatzwege wähle, dann darf ich nicht nur die Vorteile in Anspruch nehmen sondern muss auch mit den Nachteilen leben.

PS: Jetzt müsste sich nur noch einer den Spaß machen, mal die AGB´s der gängigen Verkaufsplattformen auf ungültige Einträge zu überprüfen. 😉